Warum wir die Auflösung und Neugründung der Wirtschaftskammer brauchen

Oft lohnt sich ein Blick über die Grenze, denn dann wird klar, dass die Welt vielleicht doch etwas anders ist, als sie uns in Österreich scheint. Dieser Blick hilft auch bei „Killerargumenten“, wie sie bei uns so gerne verwendet werden: „Das war schon immer so …“, „Das ist nicht änderbar, weil …“, oder auch sehr beliebt, „das würde die Sozialpartnerschaft zerstören.“

Die Kammern haben sich in den letzten Jahren nicht durch positive Nachrichten ausgezeichnet.

 

Für eine neue Wirtschaftskammer

Diese Floskeln fliegen mir entgegen, wenn ich die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer kritisiere. Ja, ich bin dagegen, dass ich als Unternehmer bei einer bestimmten Organisation Mitglied sein muss, ob ich will oder nicht und dort auch noch zwangsweise Mitgliedsbeitrag zahle. Warum? Weil ich Freiheit statt Zwang bevorzuge und weil ich der Ansicht bin, dass eine gute serviceorientierte Organisation am freien Markt ihre Mitglieder findet, ohne sie dazu zwingen zu müssen.

Oder was würden Sie davon halten, wenn Sie als Autofahrer einem bestimmten Autofahrerklub beitreten müssten? In Österreich gibt es einen sehr erfolgreichen Automobil- (Motorrad- und Touring)-Klub, dem die Mitglieder seit Jahrzehnten zuströmen, weil er offenbar das anbietet, was diese Zielgruppe will und braucht. Und weil er ihre Interessen vertritt. Er nimmt auch Stellung zu Gesetzesentwürfen und trägt Wesentliches zur Aus- und Weiterbildung in seinem Bereich bei.

 

Zweites Beispiel: Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB). Hier sind viele Arbeitnehmer:innen Mitglied, obwohl sie das nicht müssten. Und diese freiwillige Interessensvertretung ist ein anerkannter Sozialpartner und verhandelt Kollektivverträge. Auch das geht ohne Zwang.

 

Hohe Kosten, fragwürdige Leistung

Unsere Wirtschaftskammerorganisation (WKO) hingegen ist nicht die Interessensvertretung, die unsere Unternehmen verdienen. Sie ist aufgebläht, vom Wirtschaftsbund und damit indirekt von der ÖVP dominiert und agiert viel zu oft zum Selbstzweck ihrer Funktionärinnen und Funktionäre anstatt sich für die Interessen der Unternehmerinnen und Unternehmer einzusetzen.

Fachorganisationen in den 9 Landesorganisationen

Untertitel: 839 Einzelorganisationen, 1 Bundeswirtschaftskammer, 9 Landeskammern -brauchen wir diese aufgeblähten Strukturen?

 

Die Hauptkritik an der WKO liegt auf der Hand. Auch wenn ein Teil der Mitarbeiter:innen gut qualifiziert ist und sich ihrer Verantwortung für die Unternehmerinnen und Unternehmer bewusst ist, kostet sie in dieser Größe zu viel und leistet zu wenig. Eine Reorganisation ist daher dringend notwendig! Der Apparat ist mit 839 Einzelorganisationen (9 Landeskammern, alle Fachgruppen, Innungen etc.) und mehr als 5.000 Mitarbeiter:innen zu teuer. Die vorgegebenen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit werden nicht ausreichend erfüllt.

 

Blick über die Grenze

Dabei würde ein Blick über die Grenze genügen, um zu sehen, wie eine gute Vertretung der unternehmerischen Interessen ohne Zwangsmitgliedschaft funktionieren kann. In Europa existieren dafür unterschiedliche Modelle und in diesen Ländern gibt es allen Unkenrufen zum Trotz funktionierende Sozialpartnerschaften. So basiert die unternehmerische Interessensvertretung zum Beispiel in Belgien, Dänemark, Finnland, Schweden oder der Schweiz auf freiwilliger Mitgliedschaft. Interessantes Detail für Österreich: Ein Kollektivvertrag einer freiwilligen Interessensvertretung geht laut Arbeitsverfassungsgesetz (§ 6 ArbVG) einem Kollektivvertrag einer gesetzlichen Interessensvertretung (also in unserem Fall der Wirtschaftskammer) immer vor.

 

Ich trete daher für ein Ende der Zwangsmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer ein.

Es wird Zeit für eine mutige und zukunftsorientierte Neugestaltung dieser Organisation, damit sie endlich die Interessen jener vertritt, die Tag täglich unternehmerisches Risiko auf sich nehmen und einen wertvollen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität dieses Landes leisten!

 

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie mir!